Abriss fast abgeschlossen
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Abriss fast abgeschlossen - Artikel im Weser Kurier vom 11.06.2025
Alle sind weg: Die Hallen hinten, die Hallen vorne, auch die großen links von der Toreinfahrt. Wo sie mal gestanden haben, ist mittlerweile nichts außer Sand. Wären nicht die vier Altbauten und der Schornstein, die erhalten bleiben sollen, sähe das Steingut-Gelände in Grohn von oben wie eine riesige Düne aus. 100.000 Quadratmeter – und etwa die Hälfte davon soll zu einem neuen Quartier werden. Das erste Gebäude ist mittlerweile im Bau. Nach mehr als einem Jahr, in dem die Arbeiter ausschließlich abgerissen haben, was mal die Zentrale eines der größten Fliesenhersteller in Norddeutschland war.
Im November war der Firmensitz zu zwei Dritteln weg, inzwischen ist verschwunden, was verschwinden sollte. Macht alles in allem rund 75.000 Quadratmeter an Hallenfläche, die nun Freifläche ist. Und 70.000 Tonnen Baustoffe, die recycelt wurden: Beton, Stahl, Steine. Dass noch Bagger mit Betonschere und Bohrhammer auf dem Gelände sind, hat mit Gebäudeteilen zu tun, die im Boden stecken. Und von denen es mehr gibt, als auf Plänen von damals zu sehen war. Thorsten Nagel sagt, dass unter Fundamenten immer wieder neue Fundamente gefunden wurden – und dass darum der Abriss nicht so schnell beendet werden konnte, wie gedacht. Der Projektentwickler geht davon aus, dass die Arbeiter noch vier bis sechs Wochen brauchen werden.
Und dann andere kommen, die nicht kleinmachen, sondern aufbauen. So wie auf einem Teil des Steingut-Geländes, der verborgen hinter Bäumen liegt. Es ist das Gelände einer neuen Kita mit Kinder- und Familienzentrum. Das Parterre des Neubaus an der Schönebecker Straße ist fertig. Demnächst, sagt Nagel, kommt das Obergeschoss dran. Im nächsten Jahr soll Einweihung sein. Die Tagesstätte ist der erste Neubau, der auf dem Areal entsteht. Später soll das Quartier auf 15 Gebäude kommen, alte wie neue. Es ist nicht der einzige Mix, der geplant ist. Auch bei der Nutzung gibt es einen: Das Quartier wird nach der Idee der produktiven Stadt entwickelt. Was Gewerbe in Verbindung mit Wohnungen bedeutet. 250 bis 300 sollen gebaut werden.
Die ersten 62 sind als geförderte Wohnungen geplant. Das Gebäude, das für sie vorgesehen ist, hat bei Nagel noch einen Arbeitstitel: Solitär zwei. Er spricht auch von Solitär vier und von Bestand-Süd und Bestand-Nord. Die einen sind Neu-, die anderen Altbauten. Und alle dicht beieinander. Läuft alles glatt, könnten die ersten Arbeiten am Solitär-zwei-Gebäude zum Jahresende beginnen. Das mehrgeschossige Haus mit Rotsteinfassade soll parallel zu einem zweigeschossigen Altbauriegel gebaut werden, für den es schon Mieter gibt, obwohl er gerade erst entkernt wurde. Unten kommt eine zweite Kita und oben ein Gesundheitskomplex. Nagel spricht von Intensivpflege und Physiotherapie. Und davon, dass beide Bereiche L-förmig angeordnet sind.
Auf einem Entwurf kann man sehen, wie alles werden soll: Vorne das verklinkerte Bestandsgebäude mit einem Außengelände für die Kindergartenkinder, dahinter die Solitärgebäude zwei und vier, die den Altbau deutlich überragen. Und deshalb auf der Ansicht auch den nördlichen Bestandskomplex verdecken. Eigentlich sollte mehr von ihm stehen bleiben. Doch weil der Zustand der früheren Produktionshalle laut Projektentwickler Nagel schlechter war, als anfangs angenommen wurde, steht von ihr inzwischen nur noch die Hälfte. Rund 500 Quadratmeter misst ihre Grundfläche – und die soll jetzt zur Veranstaltungsfläche werden. Mit Bar, Bühne und Catering. Gleich nebenan sind zwei Gastronomiebetriebe geplant.
Auch sie werden in Altbauten sein. Das eine Bestandsgebäude schließt gleich an die Veranstaltungshalle an, das andere steht ihr gegenüber. Dazwischen ist eine Terrasse für die Bewirtung an sonnigen Tagen vorgesehen. Die Fläche ist mittlerweile so plan wie die meisten Flächen auf dem Grundstück. Früher lag dieser Teil des Plangebietes genau im Mittelpunkt des geplanten Quartiers. Das war, noch bevor der Armaturen- und Regeltechnikhersteller Gestra angekündigt hat, seinen Standort von Findorff nach Vegesack zu verlegen. Wann das Unternehmen nun die andere Hälfte des zehn Hektar großen Steingut-Geländes bebaut, dazu kann Nagel nichts sagen. Sondern nur, dass der Geländeteil vertragsgerecht übergeben worden ist.
Groß ist das Grohner Quartiersprojekt trotzdem geblieben. So groß, dass es von zwei Unternehmen entwickelt wird: von Nagels Procon-Gruppe und von Olaf Mosels Firma M-Projekt. Beide haben eine GmbH & Co KG gegründet, um das Areal von der Norddeutschen Steingut AG zu kaufen. Vor vier Jahren war das. Wann alle Quartiersgebäude gebaut beziehungsweise umgebaut sind, so wie es die Entwürfe zeigen, darüber kann Nagel im Moment bloß spekulieren. Genauso, wie viel das Projekt am Ende kosten wird. Allein für den Abriss ist ihm zufolge ein Millionenbetrag veranschlagt. Wie hoch die Summe genau ist, kann erst ausgerechnet werden, wenn der letzte Beton aus dem Boden ist – und die Firma ihre letzte Rechnung eingereicht hat.