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Die Abrissarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Hartmannstift haben begonnen.

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Der Anfang vom Abriss

Vegesack. Der Spezialbagger ist da: 42 Tonnen schwer, zwei austauschbare Hydraulikarme, mehrere Schaufeln und Betonscheren zum Wechseln. Stefan Knoblich nennt ihn deshalb auch nicht einfach Bagger, sondern Multi-Carrier – ein Baustellenfahrzeug, das mehr kann als anderes schweres Gerät. Vor allem Gebäude in Trümmer legen. Knoblich zeigt, was er meint. Er ist der Maschinist. Seit sechs Tagen ist er dabei, den ersten Anbau des Hartmannstifts kleinzumachen. Es ist, wenn man so will, der Auftakt eines großen Abrissplans. In drei Monaten soll er abgearbeitet sein.

Im Prinzip könnte Knoblich schneller fertig werden. Wenn denn die Baustelle nicht so dicht an öffentlichen Wegen und Straßen läge. Und wenn der Abriss nicht ein Teilabriss wäre: Nur die Gebäudeflügel links und rechts, die später an das frühere Vegesacker Krankenhaus angebaut und darum nicht original sind, sollen weg – und die mittleren Geschosse, die aus dem Jahr 1887 stammen, dabei unbeschädigt bleiben. Der Maschinist sagt, dass er darum behutsam vorgehen muss. Was irgendwie merkwürdig klingt bei einem Mann, an dessen Arbeitsplatz ständig Mauern einstürzen, Betonbrocken zu Boden krachen und Staubwolken aufsteigen.

Und bei dem nicht nur der Bagger ein Schwergewicht ist, sondern auch jedes Bauteil, das an das Fahrzeug montiert wird. Wie der Greifarm. Wie die Betonschere. Macht zusammen noch mal 14 Tonnen obendrauf. Knoblich weiß die Zahlen inzwischen auswendig. Seit zehn Jahren ist er als Baggerfahrer und Polier im Abrisseinsatz. Der Maschinist arbeitet sich wie immer von oben nach unten durchs Gebäude – und im Fall des Hartmannstift zugleich von hinten nach vorne. Die erste Rückwand ist längst weg. Statt auf roten Klinker schaut man jetzt auf weiße Treppen und dunkle Türöffnungen ohne Türen.

Knoblich hat sich vorher angeschaut, wo er den Beton brechen kann und wo nicht. Er studierte Pläne des Gebäudes und begutachtete es bei Rundgängen. Hilfe beim Abriss braucht er trotzdem. Ein Kollege gibt Zeichen, wann der Maschinist die nächsten Dachbalken, die nächste Bodenplatte, die nächste Wand zum Einstürzen bringen kann. Knoblich sagt, dass die Nähe zum Park eine Herausforderung ist. Und dass diese Herausforderung noch einmal größer wird, wenn der andere Flügel drankommt. Er steht noch dichter am Nachbargrundstück und direkt an der Gerhard-Rohlfs-Straße. Sie soll später vorübergehend gesperrt werden.

Dass die Arbeiten am zweiten Anbau aufwendiger sind als am ersten, wird schon an der Zeit deutlich, die für seinen Abriss einkalkuliert wurden. Michael Lück spricht von vier bis sechs Wochen. Beim ersten Flügel rechnet der Projektleiter mit der Hälfte der Zeit. Lück arbeitet für die Procon-Gruppe. Er setzt um, was die Ingenieursgesellschaft mit der ELB Real Estate GmbH, einer Lürssen-Tochter, entwickeln will: ein Quartier , das zwischen Gerhard-Rolfs-Straße und Albrecht-Roth-Straße liegt. Das auf 10.000 Quadratmeter, 65 Wohnungen, einer Kita und einer Pflegeeinrichtung kommt. Und das aus sechs Neubauten und einem Altbau besteht.

Um für alles Platz zu schaffen, wird der Maschinist mit seinem Spezialbagger noch mehr abreißen als die beiden Anbauten. Auch das frühere Schwesternwohnheim, das alte Heizkraftwerk sowie ein Tunnel, der das ehemalige Krankenhaus mit dem Personalgebäude verbindet, kommen weg. Und auch die Dachterrasse und das Staffelgeschoss, die wie die Flügel nachträglich zum Hartmannstift dazugekommen sind. Lück hat es in alten Unterlagen nachgelesen: Der eine Anbau stammt aus einer Zeit, als das Gebäude noch Klinik war, der andere, als aus dem Krankenhaus schließlich für Jahrzehnte das Nordbremer Bauamt wurde.

Wann der Altbau so niedrig gemacht werden soll, wie er anfangs mal war, kann Lück noch nicht genau sagen. Maschinist Knoblich weiß trotzdem schon, wie er vorgehen wird: noch vorsichtiger. Er will nicht das komplette Staffelgeschoss mit der Betonschere abtragen, sondern einen Teil der Arbeit seinem Team überlassen. Während er quasi für den äußeren Abriss zuständig ist, erledigen sieben Kollegen den inneren . Sie holen alles raus, was nicht im Gebäude bleiben darf, weil es fürs Recycling sortiert werden muss: die Fenster, der PVC-Boden, das Metall, die Trockenbauwände, das Dämmmaterial, der Kunststoff.

Für den Beton wird später eine Anlage aufgebaut, in der die Brocken zu Steinen zerkleinert werden sollen. Lück hat es ausgerechnet: Am Ende der Abrissarbeiten wird er auf 5400 Tonnen Beton und auf 4800 Tonnen Mauersteine kommen. Ein Teil wird abgefahren, ein anderer als Füllstoff für Fundamente von Wegen und Gebäuden verwendet. Der Projektleiter sagt, dass das nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch ist. An den vor Jahren veranschlagten 20 Millionen Euro, die das Großvorhaben kosten soll, ändert das allerdings nichts. Genauso wenig wie am Termin für das Ende der Bauzeit. Ende übernächsten Jahres soll es so weit sein.

 

Weser Kurier vom 13.01.2022

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