Norddeutsche Steingut: Auf dem Areal entsteht ein Quartier für Wohnen und Arbeiten
Wer ein Weser-Kurier-Plus-Abonnement hat, kann sich über den folgenden Link weiter informieren:
Bremens größte Baustelle -Artikel im Weser Kurier vom 04.10.2024
Alternativ steht Ihnen der Artikel nachstehend als Text zur Verfügung:
Zurzeit bewegt sich in Bremen-Nord eine ganze Menge. In Blumenthal wird der Ortskern zum Sanierungsgebiet und so aufgewertet; das Areal der ehemaligen Bremer Wollkämmerei (BWK) wird zum Berufsschulcampus umgestaltet. In Vegesack soll das Traditionshotel Strandlust abgerissen werden. Dort entstehen Wohnungen und Gastronomie. Einen Steinwurf entfernt, am Vegesacker Hafen, entsteht ebenfalls ein neues Quartier mit Wohnungen, Hotel und neuem Polizeirevier. Das größte Projekt nimmt allerdings woanders gerade seinen Lauf. Nach dem Abgang der Norddeutschen Steingut AG nach Bremerhaven soll in Grohn auf dem rund zehn Hektar großen Areal ein neues Quartier für Wohnen und Arbeiten entstehen. Damit gilt es bremenweit als eines der größten Grundstücke, das neu geordnet wird. Entwickelt wird es von den beiden Investoren Olaf Mosel von M-Projekt und Thorsten Nagel von Procon. Als Partnerin war schon in der vergangenen Wahlperiode die Stadt Bremen eingestiegen.
Was soll entstehen?
Nach dem Prinzip der produktiven Stadt werden auf dem Grundstück sowohl Bereiche entstehen, in denen Menschen wohnen können als auch solche, an denen Unternehmen angesiedelt werden. Vorgesehen sind blockartige Karrees. Sie sollen das neue, auto-arm konzipierte Viertel von der bestehenden Bahntrasse der Regio-S-Bahn trennen. Eine Schule und bis zu zwei Kitas können je nach Bedarf entstehen. Ansiedeln können sich auch Lebensmittelgeschäfte mit einer Größe von bis zu 400 Quadratmetern und Fachgeschäfte mit einer Maximalfläche von 200 Quadratmetern. Tankstellen, Bordelle und Vergnügungsstätten indes sind ausgeschlossen. Auch Grünflächen sind Teil der Überlegungen. Als bekannte Landmarke soll der historische Backsteinschornstein erhalten bleiben. Ein sogenanntes Mobilitätshaus wird die Funktionen eines Parkhauses und mehr erfüllen.
Mit diesen Ideen hatten sich die Architekten Georg Schönborn und Kathrin Schmitz gemeinsam mit der Landschaftsarchitektin Annegret Stöcker von Querfeldeins aus Dresden in einem städtebaulichen Wettbewerb durchgesetzt. Insgesamt sechs Konzepte waren von einer Jury bewertet worden. Das nun in Planung befindliche hat sich mit Abstand durchgesetzt. Ein zweiter Platz ist von der Jury gar nicht erst vergeben worden.
Warum musste noch mal neu geplant werden?
Neben Wohnungen war ursprünglich auf dem Steingut-Areal die Ansiedlung von Manufakturen, produzierendem Gewerbe und Handwerksbetrieben vorgesehen. Dafür war eine kleinteilige Bebauung geplant. Doch dann kam es anders. Die Gestra AG aus Findorff kündigte an, das komplette Unternehmen auf das Steingut-Areal verlagern zu wollen. Beansprucht wird dafür gut die Hälfte der zur Verfügung stehenden Fläche. Darauf soll ein CO2-neutraler Neubau entstehen, der sämtliche Nachhaltigkeitsstandards erfüllt. Die Produktionsflächen werden eingeschossig mit einer Höhe von zehn bis zwölf Metern sein. Gestra plant zudem auch Bereiche für die Produkt- und Technologieentwicklung, eine Akademie, den Vertrieb und sämtliche Zentralfunktionen. Diese Gebäude werden sich zu den öffentlichen Räumen hin öffnen. Die Ansiedlung eines einzigen Unternehmens hat eine Umplanung notwendig gemacht. Die Herausforderung sei gewesen, so die Architekten, die Qualitäten des ursprünglichen Planes in den neuen zu überführen. Statt zwei kleinerer Grünbereiche wird jetzt mit einem großen geplant. Dieser wird flankiert von einer Kreativstadt, die weiterhin Teil des Vorhabens sein soll. Verbunden werden beide Bereiche des Grundstücks durch eine große Straße. Unterschiedliche Plätze sind ebenso eingeplant.
Es wird davon ausgegangen, dass auf dem Areal 680 Arbeitsplätze geschaffen werden; rund 400 davon entfallen auf die Gestra. Außerdem wird mit 240 Wohneinheiten geplant. 106 Wohnungen sollen für Studierende, beispielsweise der benachbarten Constructor University, vorgehalten werden sowie 140 für alle anderen.
Wie ist der Stand der Dinge?
Der Abriss ist laut Thorsten Nagel zu zwei Dritteln abgeschlossen. „Wir gehen davon aus, dass der Rückbau im ersten Quartal 2025 abgeschlossen sein wird“, sagt der Geschäftsführer der Procon-Gruppe. Der Geländeteil, auf dem sich die Gestra AG ansiedeln wird, werde bereits in den nächsten Wochen an das Unternehmen übergeben. Der Rückbau wird in diesem Abschnitt dann abgeschlossen sein.
„Zum Jahresbeginn 2025 möchten wir mit dem ersten Neubau beginnen“, sagt Nagel. Das wird die Kita an der Schönebecker Straße sein. „Außerdem entwickeln wir derzeit zwei weitere Neubauten, zum Thema Wohnen, auch diese könnten im kommenden Jahr begonnen werden“, stellt Nagel in Aussicht. Ebenfalls 2025 werden nach Plan Erschließungsarbeiten wie Kanal- und Straßenbauarbeiten beginnen.
Was steht noch auf der Wunschliste?
Um ein möglichst auto-armes Viertel entwickeln zu können, regen die Investoren die Einführung eines Quartiersbusses an. Der Beirat ist gebeten worden, sich für eine solche Linie einzusetzen. Eine hervorragende ÖPNV-Qualität würde aus Sicht des Investors die Nachhaltigkeit stärken und das Quartier als Ganzes attraktiver machen.
Sowohl Anwohner als auch der Beirat hatten sich dafür stark gemacht, dass das neue Quartier durch eine Unterführung an die Straße auf der anderen Seite angebunden wird. So sollen Fußgänger und Radfahrer die Möglichkeit bekommen, die Gleise unterqueren zu können. Eine solche könne jedoch nicht mit dem Instrument der Bauleitplanung realisiert werden, heißt es aus dem Bauamt Bremen-Nord. Da aber auch die Vorhabenträger ein Interesse an einer Unterführung haben, werde an einer Lösung gearbeitet.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Zurzeit lasse sich kaum absehen, wann das Großprojekt komplett umgesetzt sein wird. „Auf dem Areal gibt es unter anderem eine Fläche, die für einen Schulneubau reserviert ist; die Stadtgemeinde Bremen hat sich dafür eine Bedenkzeit von zwei Jahren eingeräumt. Daran lässt sich vielleicht erkennen, dass die Zeithorizonte, zumindest in Teilen solcher Projekte, enorm sind“, erläutert Nagel. Er geht davon aus, noch einige Jahre mit dem Projekt beschäftigt zu sein.
Björn Josten