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Was die Arbeiter auf dem Steingut-Gelände geschafft haben - und warum die Großbaustelle demnächst halbiert wird

Die Abriss-Bilanz

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Die Abriss-Bilanz - Artikel im Weser-Kurier vom 29.11.2024

Alternativ steht Ihnen der Artikel nachstehend als Text zur Verfügung:

Grohn. Die Halle gehörte zu den längsten und breitesten auf dem Gelände: 2500 Quadratmeter – so gut wie alles weg. Wo sie gestanden hat, ist eine Grube, in die drei Handballfelder passen würden. So viel Platz war im Rohstofflager der Norddeutschen Steingut AG. Inzwischen ist es Geschichte. Wie bald fast alles, was an den Vegesacker Fliesenproduzenten erinnert. Bis März noch, dann soll der Abriss abgeschlossen sein. Und vorher die momentan größte Baustelle im Bremer Norden halbiert werden.

Im Mai hatten die Arbeiter knapp ein Drittel des früheren Industriestandortes kleingemacht und abtransportiert. Jetzt, ein halbes Jahr später, sind sie bei mehr als zwei Drittel. Schätzen Thorsten Nagel und Michael Lück. Nach Rechnung des Projektentwicklers und des Projektleiters waren sieben Hektar des Grohner Geländes bebaut – und sind mittlerweile mehr als fünf wieder frei. Der Chef der Nordbremer Procon-Gruppe und der Mitarbeiter stehen vor einer Fläche, die wie eine XXL-Sandkiste aussieht: 50.000 Quadratmeter beiger Boden. In dieser Woche soll dort die letzte Fuhre mit Steinen abgefahren werden und spätestens im übernächsten Monat dieser Abschnitt des Areals an den neuen Eigentümer übergeben werden. An den Armaturen- und Regeltechnikhersteller Gestra.

Ab dann ist das zehn Hektar große Grundstück quasi in zwei Hälften geteilt – und nur noch der vordere Teil, der an der Schönebecker Straße, Nagels und Lücks Baustelle. Daran, sagen sie, wird auch die Nachricht der Gestra AG nichts ändern, erst später ihre Zentrale von Findorff nach Vegesack zu verlegen und nicht sofort. Ihnen zufolge ist die Übernahme des Grundstücks längst geregelt. Und wird es keine Rolle für das Procon-Vorhaben auf der anderen Hälfte des Grundstücks spielen, dass die Aktiengesellschaft mit dem Bau ihres Firmensitzes später beginnt. Nagels Projektentwicklergesellschaft plant ein Quartier, das Wohnen und Arbeiten verbindet. Und weil es um viel Fläche geht, macht sie das mit einem anderen Nordbremer Unternehmen zusammen: M-Projekt.

Wie alles mal werden könnte, zeigt ein XXL-Banner, das an einer Klinkerfassade hängt, die nicht abgerissen wird. Es gibt mehrere Industriebauten, die bleiben sollen – und immer wieder Prüfungen, ob sie das auch tatsächlich können. Nagel sagt, dass sie anfangs geglaubt haben, mehr von der Steingut AG erhalten zu können, aber Gutachter zu einem anderen Schluss kamen. Auch beim zweiten Schornstein auf dem Grundstück, der als Erkennungsmerkmal für das Quartier gedacht ist, sind Sachverständige dabei, ihn genauer zu analysieren, ob er wirklich sicher steht. Der erste musste abgerissen werden. Beim Pumpenhaus, in dem oben genietete Wasserspeicher sind und unten mal ein Eisen- und ein Holzlager waren, sind die Untersuchungen mittlerweile abgeschlossen.

Den Platz dahinter wollen die Projektentwickler zum Quartiersplatz machen. Auch eine Gastronomie in einem angrenzenden Altbau ist geplant. Und gegenüber eine Kita, ebenfalls in einem Industriebau. Nagel zeigt auf einen lang gezogenen Gebäuderiegel, der so große Maueröffnungen hat, dass ein Kleinbus hindurchfahren könnte. Der Geschäftsführer sagt, dass im Erdgeschoss fünf Gruppen betreut werden könnten. Der Kindergarten soll L-förmig werden. Über dem Parterre, in einem anderen Teil des Komplexes, ist mindestens genauso viel Platz: 600 Quadratmeter, mindestens. Nagel spricht von einem Büro-Loft und von Co-Working-Spaces, die dort entstehen könnten: Räume, die von mehreren Firmen und Selbstständigen zugleich und im Wechsel genutzt werden.

Wieder im Erdgeschoss geht es durch ehemalige Produktionsbereiche, in deren Mitte der Projektentwickler stehen bleibt. Der hintere Abschnitt ist so kaputt, dass er abgerissen werden muss – anders als der vordere, den die Planer zu einer Veranstaltungsstätte machen wollen. Er ist so groß und hoch wie ein Konzertsaal. Nur dass in ihm bis jetzt nie etwas aufgeführt, sondern ausschließlich hergestellt wurde. Wann die Gastronomie kommt, die auch diesen Teil des Industriekomplexes versorgen soll, kann Nagel nur ungefähr sagen: Wenn die ersten Mieter eingezogen sind. Vorher, sagt er, macht das keinen Sinn. Als Gestra noch nicht die Hälfte des Geländes kaufen wollte, war es um ein Quartier gegangen, in dem bis zu 1000 Menschen leben und arbeiten.

Auch wenn das Baugrundstück jetzt kleiner wird, ist das Projekt nach wie vor ein Mehrjahresprojekt: Nagel geht – Stand heute – davon aus, dass die Entwicklung des Quartiers so lange dauern wird wie die beim Lesum-Park von Procon: ungefähr zehn Jahre. 2021 hat das Unternehmen mit M-Projekt eine Gesellschaft gegründet, die das Steingut-Gelände zwischen Kücksberg, Schönebecker Straße, Claus-Hinrich-Straße und Bahntrasse kaufte. Seit diesem Jahr ist das Baurecht für den früheren Industriegrund geschaffen. Momentan werden die Erschließungsverträge ausgehandelt. Zuvor gab es einen städtebaulichen Wettbewerb und wurden dessen Ergebnisse mit Anwohnern diskutiert. Seit dem Frühjahr laufen die Abrissarbeiten auf dem Grundstück.

Nach dem Zeitplan von Projektentwickler und Projektplaner sollen in den nächsten Wochen die Steingut-Verwaltung und der sogenannte Sprühturm wegkommen – ein Stahlbau mit einem Tank in der Mitte, aus dem die Beschichtungen für die Fliesen kamen. Nagel schätzt, dass der Behälter um die 30 Meter hoch ist. Die Abrissarbeiter wollen erst das Stahlgerüst öffnen, dann den Tank mit einem Kran auf die Seite legen, damit er auseinandergenommen werden kann. Ein Dutzend sind an diesem Morgen auf der Baustelle. Und sieben Bagger, die mit Betonscheren, Zangen, Greifern, Hydraulikhämmern und Pulverisierern das letzte Drittel an Gebäuden zertrümmern, die wegsollen.

Christian Weth

 

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