Vegesack. Minus zwei Grad, die sich anfühlen wie minus fünf: So zeigt es die Wetter-App an. Vor einem Jahr, als der Hochbau im Hartmannstift-Quartier begann, war es wärmer. Da arbeiteten die Männer auf der Baustelle noch ohne Heizung. Jetzt mit. Sie sieht aus wie ein mobiler Verkaufswagen auf dem Wochenmarkt. Nur dass es keinen Tresen für Kunden gibt, sondern einen Schornstein, aus dem es qualmt. 320 KW schafft das Dieselaggregat. Die Wärme wird in armdicken Schläuchen in mehrere Rohbauten geleitet. Ohne geht es nicht. Sonst würde der Fliesenkleber nicht halten und die Wandfarbe nicht trocknen. Beim Millionenprojekt im Vegesacker Zentrum hat der Innenausbau begonnen.
Erst waren die Abrissarbeiter da, dann kamen die Maurer und Trockenbauer, inzwischen sind die Fliesenleger und Maler in der Überzahl. Zusammen mit den Elektrikern. Fünf von sechs Neubauten stehen inzwischen – und in allen verlaufen Kabelstränge auf Fußböden oder hängen von der Decke. An diesem Morgen haben die Techniker noch eine Aufgabe, die buchstäblich schwer ist: Das Außengerät einer Wärmepumpe hängt am Haken eines Krans. Der mehrere Meter lange und breite Kasten soll nicht unten stehen, sondern hinauf aufs Dach. Michael Lück sagt, dass der Apparat auf diese Weise unsichtbar wird. Und nicht den Anblick des einzigen Altbaus des neuen Viertels stört: des Hartmannstifts.
Der Projektleiter findet, dass die sanierte Fassade des früheren Krankenhauses wieder etwas hermacht. Und sich auch im Inneren des Gebäudes einiges getan hat. Lück will zeigen, was. Er geht voran. Die Eingangstür ist noch ein Provisorium, der Fahrstuhl dahinter fertig. Im vergangenen Dezember haben die Arbeiter den Schacht für ihn gebaut. Damals konnte man vom Erdgeschoss bis in den Himmel gucken, weil das Dach für den Lift angepasst werden musste. Alle Gebäude des Quartiers bekommen einen. Der Projektleiter hat simple Namen für sie. Er nennt sie A, B, C, D, E, F und G. Das Hartmannstift ist Gebäude B. Und nichts mehr erinnert drinnen daran, dass es mal eine Klinik war.
Aus dem Foyer ist ein Treppenhaus geworden und aus jedem OP-Saal und jedem Krankenzimmer ein Wohnraum. Die Decken sind an die vier Meter hoch. Auch die Fenster und Balkontüren haben XXL-Maße. Licht – Lück sagt, dass es davon jede Menge im Stiftsgebäude gibt. Der Projektleiter geht von einem Geschoss ins nächste. In manchen Räumen haben die Handwerker grüne Isolierplane ausgebreitet. Demnächst soll der Fußboden kommen. Die Fliesen in manchen Bädern sind dagegen schon da. Sie sind dunkel-anthrazit, die Kacheln an den Wänden matt-weiß. Lück geht davon aus, dass der Innenausbau im nächsten Frühsommer abgeschlossen sein wird.
Neun Wohnungen sind im Hartmannstift geplant. Später, wenn alle Gebäude fertig sind, soll das Quartier auf 75 Wohneinheiten kommen. Alle Häuser sind Wohnhäuser – und zwei von ihnen mehr als das. In den Klinkerbauten rechts und links vom früheren Krankenhaus wird es im Parterre eine Tagespflege und einen Kindergarten geben. Das linke Gebäude gibt es mittlerweile, für das rechte ist gerade die Baugrube ausgehoben worden. Das Loch im Boden hat die Maße eines Bolzplatzes. Ein Bagger ist dabei, es noch größer zu machen. Lück sagt, dass die Erde an dieser Stelle des ein Hektar großen Geländes mehr Arbeit gemacht hat als gedacht und noch immer macht.
Erst stießen die Handwerker auf einen Fluchtstollen aus dem Krieg, der auf keinem Lageplan verzeichnet war. Dann stellte sich heraus, dass der Boden nicht so tragfähig ist, wie er sein soll. Deshalb müssen Pfähle in die unteren Schichten. Laut Lücks Reihenfolge werden erst Löcher gebohrt, dann die Träger mit spezieller Vibrationstechnik versenkt. Die Grube soll in diesem Jahr so weit hergerichtet werden, dass gleich Anfang des nächsten mit der Gründung begonnen werden kann. Und dann mit dem Bau der Tiefgarage, auf der das Wohn- und Kitagebäude an der Gerhard-Rohlfs-Straße Ecke Schulkenstraße kommt. Es ist nicht das einzige unterirdische Parkdeck auf dem Grundstück.
Im zweiten stehen mittlerweile die ersten Autos. Sie gehören den Arbeitern. Lück sagt, dass sie dort parken sollen, damit die umliegenden Straßen frei bleiben. Vor allem die Albrecht-Roth-Straße, der Zufahrt zu dieser Tiefgarage. Und vor allem jetzt. Denn jetzt sind nach Rechnung des Projektleiters mehr als doppelt so viele Handwerker auf der Baustelle wie noch zu Beginn der Hochbauarbeiten im neuen Quartier. Damals zählten er und Polier Reiner Furche ungefähr 15 Arbeiter, die Wände mauerten und Fundamente gossen. An diesem Morgen kommen sie auf fast vierzig. In jedem Rohbau sind Männer mit Bauhelm zu sehen oder zu hören. Es wird gebohrt, geschraubt, gestrichen.
Das Plus an Personal hat nicht nur damit zu tun, dass es jetzt mehr Gebäude gibt und damit mehr zu tun. Sondern auch mit Zeit, die aufgeholt werden musste. Drei Monate hat der Abriss länger gedauert als geplant. Nach Lücks Worten ist die Verzögerung wieder wettgemacht. Darum bleibt es ihm zufolge dabei, dass bis Ende 2024 sechs Häuser fertig werden und das siebte 2025 folgen wird. Und auch bei der Kostensteigerung um 20 Prozent, die aus dem 20-Millionen-Projekt ein 24-Millionen-Projekt macht.